Lettische Landschaften
Aus dem Lettischen Nationalen Kunstmuseum
Die Landschaftsmalerei wurde in der westlichen Kunstgeschichte erst ab dem 17. Jahrhundert als selbstständige
Kunstgattung betrachtet, als die Académie
française sie als vierte der fünf wichtigsten Gattungen
der Kunst einstufte. In den folgenden Jahrhunderten
wurde sie immer beliebter, bis die Pleinair-Malerei der
Impressionisten des 19. Jahr-hunderts eine ganz andere,
unmittelbare Beziehung zwischen den Künstlern und
der umgebenden Landschaft herstellte.
Im 20. Jahrhundert
nahm die Landschaft dann einen städtischen
Charakter an.
In der Mitte des 19. Jahrhunderts wurden die ersten
lettischen Künstler an höheren Bildungseinrichtungen
ausgebildet – darunter der Begründer des Landschaftsgenres
Jūlijs Feders (1838–1909). Dieser verbrachte die
meiste Zeit seines Lebens außerhalb Lettlands.
Doch die Verbindung zu seiner Heimat setzte sich in
seinen romantischen Ansichten fort, die zwischen
Burgruinen, Naturelementen und harmonisch-friedvollen,
vernebelten Landschaften wechselten.
An der Wende vom 19. zum 20. Jahrhundert kam es zu
einer raschen Entstehung und Entwicklung nationaler
künstlerischer Traditionen. Gleichzeitig erlangte auch
die Landschaftsmalerei eine herausragende Stellung.
Die ersten bedeutenden Schritte in der Herausbildung
einer lettischen nationalen Kunsttradition wurden von
zukünftigen Künstlern unternommen, die an der St.
Petersburger Kunstakademie studiert und sich in der
Studentengruppe „Rūķis“ zusammengeschlossen
hatten.
Vilhelms Purvītis (1872–1945), der als der
größte Landschafts-maler der lettischen Kunst gilt,
machte es sich zusammen mit seinen engsten
Mitarbeitern Johann Walter-Kurau (1869–1932) und Janis Rozentāls (1866–1916) zur Hauptaufgabe, eine
nationale und zugleich moderne Kunst zu schaffen.
Andere in der Ausstellung vertretene Künstler wie der
Grafiker Rihards Zariņš (1869–1939) und der Bildhauer
Gustavs Šķilters (1874–1954) waren ebenfalls in dieser
Gruppe aktiv.
Zwei Jahrzehnte später markierte der Erste Weltkrieg
einen Wendepunkt, der eine neue Generation von
Modernisten als treibende Kraft hervorbrachte. Diese
wandten sich gegen bisherige Traditionen. In der
Gattung der Landschaften traten neben die bis dahin
bekannten Darstellungen der ländlichen Natur
auch
städtische Motive – Szenen des Stadtlebens, Häfen, die
Industrie und
deren Umfeld. Die Ausstellung zeigt
Stadtszenen der ersten modernistischen Künstlerin
Lettlands, Aleksandra Beļcova (1892–1981), und deren
Ehemann Romans Suta (1896–1944). Das Streben nach
Innovation hielt jedoch nicht lange an. In den 1930er
Jahren wurde es durch eine Tendenz zum realistischen
Ausdruck ersetzt.
Die Ausstellung umfasst Beispiele aus dem Werk der
bedeutendsten lettischen Landschaftsmaler und gibt
gleichzeitig einen Einblick in die Entwicklung der
lettischen Kunst von der zweiten Hälfte des 19. Jahr-hunderts
bis in die 1930er Jahre. Die in der Ausstellung
vertretenen Künstler Alice Dmitrijew, Jūlijs Feders,
Kārlis Hūns, Johann Walter-Kurau, Janis Rozentāls,
Vilhelms Purvītis, Rihards Zariņš, Gustavs Šķilters,
Jānis
Jaunsudrabiņš, Pēteris Krastiņš, Alfrēds Plīte-Pleita,
Pēteris Kalve, Eduards Lindbergs, Aleksandra Beļcova,
Romans Suta, Leo Svemps
und Konrāds Ubāns haben
nicht nur zur Entwicklung der lettischen Landschaftsmalerei
beigetragen, sondern jeder von ihnen hatte
sogar Verbindung zur deutschen Kunstszene.
Die mit Bedacht ausgewählte Präsentation besteht aus
Gemälden und Grafiken aus der Sammlung des
Lettischen Nationalen Kunstmuseums (LNMM). Dort
wird der größte Bestand professioneller Kunst des
Landes verwahrt. Das LNMM hat es sich zur Aufgabe
gemacht, die kulturellen Werte zu sammeln, zu erhalten
und zu fördern, sowohl im In- wie auch im Ausland.
Der rege Austausch des LNMM von Ausstellungen mit
diversen europäischen Kultureinrichtungen zeigt sich
auch in der jetzt im Künstlermuseum Heikendorf
präsentierten Schau.
Ausstellungsdauer: 10. Juni bis 3. September 2023
Vernissage: Samstag, 10. Juni, 17 Uhr (1 Euro Unkostenbeitrag)
Den Bericht im Schleswig-Holstein Magazin
am 6. August über diese Ausstellung können Sie sich hier ansehen!
Hier finden Sie die Kurzbiografien der ausgestellten Künstlerinnen und Künstler als pdf.
Abbildungen: © Sammlung des Lettischen Nationalen Kunstmuseums