Zwischen Farbenpracht und Seelenschmerz
Das expressive Werk der Künstlerin Jeane Flieser
Jeane Flieser wurde 1912 in Kiel geboren.
1918 zogen die Eltern, der Schauspieler Hans Flieser und
die ausgebildete Opernsängerin Lydia Flieser, geb. Scheel,
nach Berlin, wo Jeane Flieser aufwuchs.
Von 1931 bis
1936 studierte sie an den „Vereinigten Staatsschulen für
freie und angewandte Kunst“ in Berlin-Charlottenburg.
Doch erst nach dem II. Weltkrieg konnte sie ihr Kunststudium
an der Berliner Kunstakademie abschließen, als
Meisterschülerin von Karl Schmidt-Rottluff.
Von 1954 bis 1979 lebte die Künstlerin wahlweise in Berlin
und Kitzeberg. In ihrem Kitzeberger Atelier entstanden
unter anderem sämtliche Bildteppiche; hier hatte sie
genügend Platz, diese großen Werke zu sticken, so auch
den Bildteppich St. Florian für die Feuerwehrwache in
Kiel von 1962. Mein Atelierhäuschen am Wasser von 1967 ist eines der
zahlreichen Aquarelle, die Jeane Flieser in Kitzeberg von
ihrem Garten malte. Sie liebte ihren blühenden Garten
und freute sich jedes Mal, wenn sie aus Berlin kam, darauf,
ihn wiederzusehen.
In den ersten Jahren entstanden vor allem Ölgemälde,
Blumenbilder und Landschaften, auch Figurenkompositionen,
in kräftigem Kolorit von expressionistischer
Farbenfreude.
So zeigt Aufziehendes Unwetter von 1968 eine üppig wuchernde Vegetation, durch die aufgeschreckt
eine schwarze Katze springt.
In Berlin beobachtete die Künstlerin junge und alte Menschen
auf der Straße, in den Cafés, in der U-Bahn und
dokumentierte das zeitgenössische Treiben in Zeichnung
und Radierung – auch mit bissigem Humor: Väter und
Söhne in der U-Bahn von 1969.
Erst in den späten Jahren begann die Künstlerin sich
mit den Jahren 1933 bis 1945, aber auch mit der zunehmenden
Umweltverschmutzung, auseinanderzusetzen.
Ihre Farbpalette entwickelte sie nun zu einem dunklen,
düsteren Kolorit.
In bedrückenden Gemälden arbeitete die Künstlerin die
am eigenen Leib erlittenen Folgen der NS-Diktatur auf.
Da ihr Vater Jude war, der schon 1936 Berufsverbot
erhalten hatte, bekam auch sie die Rassegesetze zu
spüren. Nur mühsam überlebte die Familie in einer
Schrebergartenkolonie in Berlin.
1981 entstand Ohne Titel I, eine stilllebenartige Komposition,
die unter anderem symbolhaft einen schlaff und
leblos herunterhängenden Mantel mit einem gelben Stern
und der Aufschrift „Jude“ zeigt.
Wir bedanken uns herzlich beim Stadtmuseum Berlin,
dem Stadtkloster Kiel und der privaten Leihgeberin für
ihre wertvollen Beiträge zu unserer Ausstellung.
Ein besonderer
Dank gilt der Stiftung Schleswig-Holsteinische
Landesmuseen Schloss Gottorf, die uns den Nachlass
von Jeane Flieser als Dauerleihgabe überlassen hat. Ihre
Unterstützung ermöglicht diese Ausstellung und bereichert
den Bestand unseres Hauses.
Zur Ausstellung erscheint ein Katalog.
Eröffnung: Samstag, 21. Juni, 17 Uhr (Unkostenbeitrag: 1 Euro)
Ausstellungsdauer: 21. Juni bis 7. September 2025
© Alle Abbildungen: VG Bild-Kunst, Bonn 2025